Objektreportage EPS-Rückbau & Recycling Luzern
Aus Bauabfall wird EPS-Sekundärrohstoff
Nicht erneuerbare Rohstoffe sind nicht unendlich verfügbar. Viele Materialien, die wir benötigen, werden nach dem Gebrauch entsorgt. Dabei gehen wertvolle Stoffe verloren, die man weiterverwenden oder in andere Produkte umwandeln könnte. Dadurch würden sie sich in einem Kreislauf bewegen, statt auf geradem Weg in der Entsorgung zu landen. Ein Pilotprojekt der swisspor zeigt auf, wie das Recyclingkonzept einen Kompaktfassaden-Rückbau mit rund 4000 m2 Rückbaumaterial bewerkstelligt und daraus hochwertiger EPS-Sekundärrohstoff gewonnen wird.
Gut gedämmte Gebäude stellen nachhaltig eine überaus hohe Energieeffizienz und gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit sicher. Zur Minimierung des Energieverbrauchs für Heizung, Warmwasser und Lüftung können Gebäude im Bestand energetisch fit gemacht werden, indem beispielsweise die Aussen-, Dach- und Perimeterdämmung sowie die Fenster modernisiert werden. Eine energetische Erneuerung ist eine lohnende Investition, um langfristig Energie einzusparen und nachhaltig zum Klimaschutz beizutragen. Wer also seine Immobilie energetisch modernisiert, tut nicht nur etwas, um den eigenen Energiebedarf zu senken, sondern handelt auch nachhaltig für die Gesellschaft.
Wie es zur energetischen Sanierung kam
In einem urbanen Stadtquartier mitten in der Stadt Luzern steht eine Wohnüberbauung mit drei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 66 Mietwohnungen. Die Pax Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft AG ist Eigentümerin dieser Immobilie. Die Überbauung wurde im Jahr 2002 erstellt, ist für ein Gebäude also noch ziemlich jung. Dennoch wiesen bereits einzelne Fassadenteile Mängel auf, welche zu einem Schadensbild geführt haben. Ein Team von Fachexperten unterzog die Gebäude einer Analyse, um die energetischen Schwachstellen in der Fassadendämmung zu identifizieren. Dabei stellte man fest, dass ein schadhafter Sockelbereich im Übergang vom Terrain zur Fassadendämmung zum Schadensbild führte. Verantwortlich dafür könnten eine mangelhafte Abdichtung, deren nachträgliche Beschädigung oder schadhafte Anschlussdetails der Fassadendämmung zu anderen Bauelementen (Metallzargen) sein. Die mangelhaften Detailanschlüsse führten letztlich zu eindringender Feuchtigkeit, was Putzabplatzungen zur Folge hatte.
Die Baumanagement Firma Egli Schelbert AG erhielt den Auftrag, die Fassadensanierung zu planen und in Zusammenarbeit mit dem Gipsergeschäft De Donno Mario AG umzusetzen. Zu Beginn ging man davon aus, dass die Gebäudehülle lediglich abgeschält werden kann und die bestehende Fassadendämmung erhalten bleibt. Das Energiegesetz (MuKEn) schreibt jedoch bei energetischen Erneuerungen von Fassaden eine minimale Dämmleistung der Bauteile von 0.025 W/m2K vor. Der damals bei der Erstellung des Gebäudes gewählte Wärmeschutz erfüllt die heutigen Anforderungen nicht mehr. Eine energetische Erneuerung stand also ebenfalls an; und dies natürlich unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zum heutigen Dämmstandard. Die Fassade wurde also schrittweise in einem Umfang von 4000 m2 rückgebaut und mit einem leistungsstärkeren Dämmstoff erneuert und modernisiert.
Nachhaltiger Umgang mit Rückbaumaterialien
Nebst der umwelt- und klimaschonenden Sanierung legte die Bauherrschaft grossen Wert auf einen nachhaltig sinnvollen Umgang mit dem Rückbaumaterial, nicht zuletzt auch deshalb, weil das Gebäude und die darin verbauten Baumaterialien noch relativ neu sind. So soll das Rückbaumaterial recycelt werden anstatt, wie üblich, thermisch entsorgt. «Es ist alles eine Frage der Nachhaltigkeit, die uns alle dazu auffordert, in unserem Alltag zukunftsweisend zu denken und zu handeln. Mit dem EPS-Recycling haben wir eine sinnvolle, ökologische Lösung gefunden, ressourcenschonend mit dem Rückbaumaterial umzugehen», so Oliver Bürki, Bauherrenvertreter der Pax Asset Management AG. Die Pax will damit auch die Zirkularität von Baustoffen sicherstellen und fördern. So soll verhindert werden, dass gut erhaltene Baustoffe auf der Abfalldeponie landen. Obwohl das Recycling von Rückbaumaterial per dato keine gesetzliche Vorgabe ist, sieht sich die Bauherrschaft in der Verantwortung, den Rückbau so umweltverträglich wie möglich umzusetzen.
Der Weg zum Recycling
Anfänglich war für die Projektbeteiligten unklar, welche Möglichkeiten es für das Recycling von Baustoffen gibt. Liegt es überhaupt im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen, und wie kann das Recycling ideal in die bestehenden Arbeitsabläufe eingegliedert werden? Das Projekt war für die Beteiligten Neuland und brachte unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Immerhin handelt es sich bei 4000 m2 Rückbaumaterial um eine grosse Menge. Die Pax empfiehlt bei solchen Anliegen, auf das Know-how der Herstellenden und Produzent:innen zurückzugreifen, um zukunftsweisende Lösungen zu schaffen: «Die Herstellenden stehen gewissermassen in der Verantwortung. swisspor ist eine etablierte Dämmstoff-Herstellerin, welche für unser Anliegen eine zugeschnittene Recyclinglösung bietet. Damit zeigt swisspor Verantwortungsbewusstsein und Kompetenz im nachhaltigen Umgang mit Baustoffen», so Bauherrenvertreter Oliver Bürki. Im gegenseitigen Austausch konnten die bauseitigen Anforderungen geprüft und das EPS-Recycling zielführend in die bestehenden Prozesse eingebaut werden. So kam es dazu, dass die swisspor nicht nur den neuen Dämmstoff lieferte, sondern auch gleich den alten Dämmstoff abtransportierte und im hauseigenen EPS/XPS-Recyclingzentrum in Boswil AG zu EPS-Sekundärrohstoff aufbereitete. Tim Schelbert, Projektleiter der Baumanagement AG, kannte die Möglichkeit des EPS-Recyclings zuvor nicht. «Die Nachfrage für nachhaltiges Bauen wächst kontinuierlich. Worauf wir Firmen aufgefordert sind, mit innovativen Lösungen zu dienen.» Einzelne Fassadenteile der Wohnüberbauung in Luzern wiesen Schäden auf. Die Einbettung wird abgetragen.
Kreislaufwirtschaft ist mehr als ein Trend
Mit dem Pilotprojekt konnten sie wertvolle Praxiserfahrungen sammeln, die in Zukunft hilfreich sein werden. Denn mittel- und langfristig ist betreffend den nachhaltigen Rückbau sämtlicher Materialien an bestehenden Bauten mit gesetzlichen Rahmenbedingungen zu rechnen. So wurde beispielsweise im Kanton Zürich die Volksabstimmung am 25. September 2022 zur Änderung der Kantonsverfassung «Gegenvorschlag zur Kreislauf-Initiative » mit über 89 Prozent Zustimmung angenommen. Mit diesem Artikel erhalten Kanton und Gemeinden neu die Aufgabe, in ihren Zuständigkeitsbereichen Rahmenbedingungen für einen gezielt schonenden Umgang mit Rohstoffen, Materialien und Gütern sowie für die Schliessung der Stoffkreisläufe zu schaffen.
Big Bags sorgen für Ordnung und Effizienz auf der Baustelle
Die grosse Menge an Rückbaumaterial musste für die ausführenden Unternehmen effizient und verlustfrei bewältigt werden können. Mit dem Recyclingkonzept der swisspor stehen neu auf der Baustelle sogenannte «swisspor Big Bags» zur Verfügung. Das sind grosse, verschliessbare Säcke, worin Dämmstoffplatten gesammelt werden. Aufgrund beschränkter Platzverhältnisse auf der Baustelle verzichtete man auf grosse Sammelstellen. Man arbeitete sich punktuell durch den Rückbau; nicht zuletzt um grössere Abfallmengen und dadurch entstehende Verschmutzungen auf dem Areal zu vermeiden. Der Ablauf wurde so koordiniert, um Leerläufe stets zu verhindern: Mit jeder neuen Materialanlieferung wurden die Big Bags durch die swisspor abtransportiert und ins Recyclingzentrum nach Boswil (AG) gebracht. Bei einem Umfang von 4000 m2 EPS-Rückbaumaterial ist eine tadellose Koordination und Logistik unabdinglich. Das Gipsergeschäft De Donno Mario AG ist zuständig für den Rückbau der bestehenden Fassaden und die fachgerechte, neue Aussenwärmedämmung. Nach dem Abtragen des Verputzes inklusive Gewebe wurde der alte Dämmstoff abgespitzt und samt möglichst wenigen Rückständen wie Mörtel und Kleber in die Big Bags gelegt. Die Rückbaugruppe entdeckte dabei einen zeitsparenden Hack: Um mit dem Abspitzen schneller voranzukommen, befestigte man die Big Bags direkt am Gerüst. Ist doch praktisch, oder? Geschäftsführer Luca De Donnos grosses Anliegen war, dass das Recycling keinerlei Nachteile oder Zeitverzögerungen mit sich bringt und für alle Mitarbeitenden simpel umzusetzen ist. «Wir haben mehrere Varianten geprüft, und die Entsorgung durch die Big Bags ist effizient und zeitsparend für uns. Ich würde das Recyclingkonzept meinen Berufskolleg:innen jederzeit weiterempfehlen», so Luca De Donno.
Ein regionales Pilotprojekt mit Erfolg und Zukunft
Das Recyclingkonzept der swisspor schont Ressourcen und Umwelt gleichermassen. Nichtsdestotrotz muss die Umsetzbarkeit vor Ort auf der Baustelle sichergestellt werden. Mit dem Pilotprojekt in Luzern sind die erforderlichen Weichen für den Einsatz von zirkulären Baustoffen gestellt. Oliver Bürki zieht eine positive Bilanz: «Wir dürfen mit Stolz sagen, dass das Pilotprojekt für alle Beteiligten ein grosser Erfolg war. Wir erhielten von den Bauunternehmen wie auch von den Mieter:innen ausschliesslich positive Resonanzen.»